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04.06._Blog_Psychoonkologie1
Mag. Theresia Rosner-Seifert 04.06.2025

Psychoonkologie - Weil Brustkrebs auch die Psyche betrifft Teil 1

In der psychologischen Begleitung von Krebspatient:innen wird klar ersichtlich, dass jede:r einzeln:e Patient:in im Umgang mit ihrer/seiner Erkrankung unvergleichbar ist, denn jede:r schreibt ihre/seine „einzigartige Geschichte“. Doch eines haben alle Betroffenen aus meiner Sicht gemeinsam: Sie sind Held:innen!

Die Diagnose einer Brustkrebserkrankung zieht im ersten Moment der betroffenen Person den Boden unter den Füßen weg. Ab diesem Zeitpunkt dreht sich der Lebensalltag vor allem um das Thema der Erkrankung, der Untersuchungen/ Therapien und um die Hoffnung, wieder „das Leben von früher“ zurück zu bekommen. Sie durchläuft neben diversen medizinischen Schritten auf körperlicher als auch auf psychischer Ebene einen Dauermarathon. Ich möchte in diesem Beitrag nun vor Augen führen, welche Herausforderungen/Phasen bei einer onkologischen Erkrankung von den Betroffenen im adjuvanten (heilbaren) Setting zu bewältigen sind und welche unglaublichen Leistungen sie dabei erbringen.

1. Diagnosephase

„Sie haben Brustkrebs“ – auf diese Aussage folgt nahezu immer ein Schockzustand, der eine gesunde Reaktion eines Menschen auf eine Bedrohung darstellt. In einem derartigen Ausnahmezustand kann nur 1/8 des Gehörten in Erinnerung behalten werden, weshalb viele Patient:innen nach dem ärztlichen Gespräch nur noch einen Bruchteil der gehörten Information in Erinnerung haben. Auch die Überforderung mit medizinischen Fachausdrücken ist gerade bei älteren Patient:innen nicht zu unterschätzen. Durch die verschiedenen Untersuchungen, die meist noch vor Therapiebeginn/der OP durchgeführt werden müssen, wird der betroffenen Person erstmals bewusst, dass es nicht nur um einen Tumor in der Brust geht, den es zu behandeln gilt, sondern dass es vielleicht auch Metastasen in anderen Organen geben könnte. Viele Patient:innen berichten rückblickend, dass die Wartezeit auf die Befunde dieser “Durchuntersuchungen” oftmals viel belastender war, als die Diagnosemitteilung selbst.

Für viele Betroffene stellt sich die Frage „Wem möchte/muss ich jetzt davon erzählen?“. Gerade Mütter minderjähriger Kinder machen sich vorrangig um das Wohl ihrer Kinder Sorgen und fragen sich, wie es ihnen erklärt werden soll (Angst sie zu traumatisieren, ihren vertrauten Alltag durcheinander zu bringen, sich nicht gut um sie kümmern zu können). Für berufstätige Betroffene ist es oft schwierig zu entscheiden, ob sie sofort in den Krankenstand gehen sollen oder ob das Ausüben der Arbeit bis zur OP bzw. zum Therapiestart sinnvoller sein könnte.

Die Emotionen durchlaufen ein Hin und Her zwischen Zuversicht - „das schaffe ich schon, ich werde sicher wieder gesund“ und der Sorge vor einer möglicherweise bevorstehenden Chemotherapie und der Frage, ob eine Heilung möglich ist. Vor allem fehlen anfangs noch viele Informationen, da zu dem Zeitpunkt auf viele Fragen noch keine klärende Antwort gegeben werden kann. Mit jeder Information (Befund, Ablauf der Therapie, konkrete Termine usw.) wird der/dem Patientin/-en geholfen, sich sowohl organisatorisch als auch psychisch auf die bevorstehenden Veränderungen vorzubereiten und darauf einzustellen.

2. OP/Therapiephase

Bei einer Brustoperation ist, je nach Operationsmethode bzw. abhängig davon, wie viele Lymphknoten entfernt wurden, die Mobilität relativ rasch wiederhergestellt. Die „neue Brust“ akzeptieren zu lernen, stellt einen weiteren Meilenstein in diesem “Behandlungs-Marathon” für die betroffene Person dar, sei es im Umgang mit der OP-Narbe und dem Weiterleben mit der ehemals erkrankten Brust, als auch nach einer Brustentfernung das Anfreunden mit dem neuen Erscheinungsbild mit einem Implantat.

Als große Ausnahmesituation gestaltet sich der Alltag während einer Chemotherapie. Hier wird die/der Betroffene als auch ihre/seine Angehörigen vor die Herausforderung gestellt, für den Zeitraum der Therapie einen neuen Alltagsrhythmus aufzubauen. In der ersten Zykluswoche brauchen die meisten Patient:innen mehr Schonung, in den Folgewochen bis zur nächsten Infusion geht es meistens schrittweise bergauf, wo wieder berufliche Termine (z.B. Homeoffice) oder Freizeittermine möglich sein können. Die Möglichkeiten, wie viele vertraute Alltagsaktivitäten durchgeführt werden können, hängen von dem körperlichen Befinden bzw. der Intensität der Nebenwirkungen ab. Hier sind ein hohes Maß an Flexibilität und Geduld erforderlich.

Nahezu alle Patient:innen beschreiben, dass sie sich bis dahin gesund gefühlt hatten und die Krebserkrankung nicht spürbar gewesen sei. Doch seit der Chemotherapie fühlen sie sich erstmals krank und schwach. Durch die körperliche Schwäche und den meistens unvermeidbaren Haarverlust scheint die Krebserkrankung nun für Außenstehende „offensichtlich“ zu werden. Wobei hierbei genau genommen nicht die Erkrankung, sondern die Nebenwirkungen der Therapie gespürt werden. Es ist für die/den Betroffene:n als auch für die nahestehenden Personen eine physische, psychische als auch organisatorische Herausforderung, hier einen neuen Alltagsrhythmus zu gestalten und die Therapiezyklen mit den damit einhergehenden „Aufs und Abs“ der Befindlichkeiten zu integrieren.